Politik ist ein schmutziges Geschäft. In diesen Zeiten ist sie zugleich aber auch ein spannender Thriller.
Kaum 200 Kilometer vor Moskau hat Jewgenij Prigoschin am Samstag (24. Juni) die söldner seiner Privatarmee „Wagner“ gestoppt. Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko hat ihm Asyl in Weißrussland gewährt. Der russische Präsident Vladimier Putin hat seinem einstigen Günstling und seinen Söldnern Straffreiheit versprochen.
Innerhalb eines einzigen Tages hat der – bislang für übermächtig gehaltene – Diktator Putin seine Strahlkraft vollständig verloren. Den Söldnern Grigoschins hatte die reguläre russische Armee offenbar nichts entgegenzusetzen. Zum Schutz seiner Hauptstadt musste Putin Truppen aus Ttschetschenien anfordern.
Man habe schweres Blutvergießen vermeiden wollen, erklärten Lukaschenko und Grigoschin das unerwartete Einlenken des rebellischen Privatfeldherrn. So viel Menschenfreundlichkeit mögen manche dem Raubmörder Grigoschin jedoch nicht wirklich abnehmen. War die Vermittlung von Lukaschenko vielleicht schon von vornherein geplant gewesen und Teil einer militärischen Inszenierung, die die russische Armee ebenso vorführen wollte wie den Präsidenten Putin?
Hat dieses bewaffnete Schaulaufen möglicherweise Hintermänner im Kreml oder vielleicht auch in anderen Ländern? Werden Grigoschin und Lukaschenko in Zukunft stillhalten oder werden sie den gschwächten Putin auch weiterhin unter Druck setzen? Welche Rolle werden dabei die – erst kürzlich nach Belarus gebrachten – russischen Atomwaffen spielen?
Diese Fragen beweisen die Brisanz von Politik ebenso wie ihre Dramatik. Politik hat direkte und verzögerte Auswirkungen auf die Menschen in Stadt und Land, in entfernten Ländern und auch auf die gesamte Menschheit. Das gilt für Klima- und Umweltschutz ebenso wie für Krieg und Frieden.
Mehr als 1.000 Geflüchtete aus der Ukraine leben inzwischen in Marburg. Wesentlich mehr Menschen sind aus anderen Kriegsgebieten und Katastrophenregionen in die mittelhessische Universitätsstadt gekommen. Ihre Lebensläufe prägen damit auch Marburgs Kultur und den Alltag der Stadt.
Verantwortung für Politik tragen alle Menschen schon deshalb, weil sie durch ihr Verhalten auf die Welt einwirken und damit auch auf die Politik. Politische Beteiligung ist darum eine unerlässlche Bürgerpflicht. Demokratie ist die einzige Staatsform, die alle Menschen gleichermaßen ernst nimmt und ihnen gleiche Chancen zur Teilhabe eröffnet.
Diese Demokratie zu schützen, bedarf mancher Anstrengung und intensiver Debatten. Das mag eine der Lehren aus der Situation in Russland sein, wo ein mörderischer Krieg sich schon bald nicht nur gegen das Nachbarland Ukraine richtete, sondern auch ins eigene Land zurückschwappte. Demokratie ist nicht einfach und schon gar nicht mit populistischer Sprücheklopferei zu praktizieren, sondern mit komplizierten Diskussionen über komplexe Sachverhalte und das Bedenken späterer Folgen von jeder Entscheidung.
Doch Demokratie ist nötig. Ohne Demokratie wird die Menschheit zugrunde gehen. Mit gelebter Demokratie kann sie das kollektive Ende der gesamten Menschheit wahrscheinlich noch für längere Zeit hinauszögern.
* Franz-Josef Hanke