Anerkennung: Ehrendoktorwürde für die kanadische Kuratorin Ydessa Hendeles

Die Ehrendoktorwürde hat der Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften der Kanadierin Ydessa Hendeles verliehen. Die Feier fand am Donnerstag (26. Oktober) in der Aula der Alten Universität statt.
Universität und Fachbereich ehrten die langjährige künstlerische und kuratorische Arbeit der kanadischen Kuratorin, Künstlerin, Sammlerin und Kulturwissenschaftlerin und ihre wichtigen Beiträge zur Kunstförderung und -vermittlung. „Marburg wird immer in meinem Reisepass stehen“, sagte Hendeles bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde. „Diese Stadt ist ein fester Teil von mir und tief in meinem Herzen verankert.“
Seit rund 45 Jahren ist Hendeles als Sammlerin, Kunsttherapeutin, Dozentin, Designerin, Galeristin und vor allem als Kuratorin von weltweit beachteten Kunstausstellungen tätig. Ihre künstlerische Arbeit besteht im Finden, Auswählen, Gruppieren und Präsentieren von Werken anderer Künstlerinnen und Künstler und kulturhistorischer Objekte in einer eigenen Form. Einen Einblick in ihre Tätigkeit gab Hendeles in einer Präsentation zu ihrer Ausstellung „The Wedding (The Walker Evans Polaroid Project): A Curatorial Composition“.
In der Ausstellung stellte Hendeles unterschiedliche Werke in einen neuen Zusammenhang. Beispielsweise arrangierte sie eine Reihe von Polaroid-Fotos, die von größeren Drucken unterbrochen wurden, gemeinsam in einem Raum mit kleinen Kirchenbänken. Die Sitzgelegenheiten wandten sich einem zentralen Hauptobjekt im Raum zu – einem verzierten, gewölbten Vogelkäfig aus aufwendig poliertem Holz. Ein Beispiel dafür, wie Hendeles Beziehungen und Verbindungen zwischen einzelnen Werken und somit auch neue Sinnzusammenhänge herstellt.
„Ihre Arbeit unterscheidet sich vom klassischen Kuratieren – es handelt sich vielmehr um ein forschendes Sammeln, das der Wissenschaft durchaus verwandt ist“, sagte Prof. Dr. Hubert Locher, Direktor des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, in seiner Laudatio. „Ydessa Hendeles ist eine Kuratorin, die sich erlaubt, eigene Aussagen zu machen. Sie schafft dadurch Räume und Installationen von hoher ästhetischer Qualität. Diese thematisieren, oft persönlich oder familienbiographisch motiviert, Bilder des kulturellen Gedächtnisses, schaffen neue Sinnzusammenhänge oder bringen unaussprechliche Befindlichkeiten zu Tage.“ Damit leiste sie einen herausragenden Beitrag zur Aktivierung des erkenntnisfördernden und gesellschaftsbildenden Potenzials der Kunst.
„Es geht um unser In-der-Welt-sein, das niemals direkt und unvermittelt ist, sondern stets Werkzeuge bedarf – Sprache, Kunst, Medien“, sagte Dekan Prof. Dr. Malte Hagener vom Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften. Damit zog er einen Vergleich zu den Disziplinen seines Fachbereichs.
„Der Fachbereich setzt sich mit Kommunikation und Vermittlung, mit Medialität und Kunst auseinander“, erläuterte Hagener. „Es gibt unter anderem Forschungen zur barocken Deckenmalerei, zu regionalen Varietäten des Deutschen, zu Sondersendungen im Fernsehen oder zur Rolle von Hörbüchern für die Lesemotivation. Ich bin stolz, dass unser Fachbereich so vielgestaltig ist.“
Hagener bedankte sich für das große Interesse, das Hendeles bei ihrem Besuch für das Schaffen des Fachbereichs zeigte. Hendeles kam unter anderem auch mit Studierenden der Bildenden Kunst in den Masterateliers und des Marburger Zentrums für Kanadastudien ins Gespräch.
„Wir sind sehr stolz auf unsere Kanada-Studien“, erklärte Universitätspräsidentin Prof. Dr. Katharina Krause am Abend. Sie freute sich über die besondere Ehre, Hendeles in ihrer Geburtsstadt Marburg begrüßen zu dürfen.
Ausgebildet in Social and Philosophical Studies an der University of Toronto sowie in Bildender Kunst und Kunsttherapie an der New School of Art, leitete Hendeles in den 80er Jahren eine der bedeutendsten Galerien Torontos für zeitgenössische kanadische Kunst. Sie nannte sich „The Ydessa Gallery“. 1988 gründete sie die Ydessa Hendeles Art Foundation, die sich seitdem dem Sammeln und Ausstellen international diskutierter künstlerischer Positionen widmet zum Beispiel aus den Bereichen Fotografie und Konzeptkunst.
2003 wurde Hendeles erstmals als Kuratorin nach Deutschland eingeladen. Im Haus der Kunst in München präsentierte sie die Ausstellung „Partners (The Teddy Bear Project)“.
Diese vieldiskutierte Ausstellung begründete ihren internationalen Ruf als Spezialistin für subtile und assoziative Operationen an der öffentlichen Gedächtniskultur. Mit ihren partizipativen Szenografien positioniert sie sich an der Schnittstelle von kuratierter Ausstellung und künstlerischer Rauminstallation.
2009 wurde Hendeles an der Universiteit van Amsterdam promoviert. Angeregt durch die niederländische Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Mieke Bal, thematisierte sie in ihrer Dissertationsschrift „Curatorial Compositions“ die eigene Arbeitsweise als Kuratorin.
2010 realisierte sie im Marburger Kunstverein ihre kuratorische Komposition „Marburg! The Early Bird“. Den Ausgangspunkt dieses assoziationsreichen Ausstellungsprojekts bildete ihre Geburt in Marburg im Jahr 1948 als Tochter jüdischer Eltern, die wenige Jahre der Nachkriegszeit in der Universitätsstadt verbrachten. 1950 siedelte die Familie dann nach Toronto über.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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