Alle Dekaden wieder: Tawara-Aschoff-Knoten und Tada-Urata-Platz

Der Kreisverkehr und ein Platz auf den Lahnbergen bekommen jetzt Namen. Sie machen japanische Wissenschaftler*innen im Stadtbild sichtbar.
Der japanische Pathologe Sunao Tawara hat in seinem Studium in Marburg eine bedeutende Entdeckung gemacht. Die Augenärztin Dr. Tada Urata war die erste Frau, die in Marburg ihren medizinischen Doktortitel erhielt. Die Universitätsstadt Marburg ehrt nun beide, indem sie ihre Namen im Stadtbild verewigt – mit dem „Tawara-Aschoff-Knoten“ und dem „Tada-Urata-Platz“ auf den Lahnbergen.
„Wissenschaftler*innen, die nicht aus Europa oder Amerika stammen, wurden in der europäischen Wissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert weniger gewürdigt“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. „Gerade in einer Universitätsstadt – in einer so internationalen Stadt wie Marburg – ist es uns aber wichtig, das zu ändern.“ Für Spies ist es „ein richtiges und wichtiges Signal, wenn wir auch außereuropäische, besondere Persönlichkeiten mit Bezug zu Marburg in unserer Stadt sichtbar machen“.
Die Stadtverordnetenversammlung (StVV) hatte beschlossen, dem Kreisverkehr an der Baldingerstraße auf den Lahnbergen den Namen „Tawara-Aschoff-Knoten“ zu geben. Der Platz zwischen der Zentralen Medizinischen Bibliothek und der Mensa auf den Lahnbergen erhält den Namen „Tada-Urata-Platz“. Beide japanische Mediziner*innen haben in Marburg studiert. „Marburg ist eine internationale Stadt und es ist gut, dass Sunao Tawara und Dr. Tada Urata für ihr Studium hierher kamen“, sagte Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Elke Neuwohner. Man könne schwerlich Medizin studieren, ohne die Arbeit der beiden Geehrten kennenzulernen. „In der Forschung geht es auch darum, voran zu gehen und etwas als Erste*r zu machen. Dafür sind die beiden heute Geehrten bekannt“, so Uni-Präsident Dr. Thomas Nauss.
Sunao Tawara (1873 – 1952) war ein japanischer Pathologe. Er kam 1903 als Student der Medizin nach Marburg. Als Schüler des Pathologen Prof. Dr. Ludwig Aschoff entdeckte er den sogenannten „schoff-Tawara-Knoten“, der eine zentrale Funktion im Reizleitungssystem des menschlichen Körpers hat.
Der Knoten befindet sich im Bereich der Muskelfasern des Herzens. Und die Grundlagenforschung für diese bedeutende Entdeckung erfolgte in Marburg.
„Wir wollen die herausragende medizinische Leistung von Sunao Tawara ehren und gleichzeitig auch die traditionsreiche wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Japan und Marburg würdigen“, erläuterte Spies. Daher erhält der Verkehrskreisel in der Baldingerstraße den Namen „Tawara-Aschoff-Knoten“. Die Geschäftsführung des Universitätsklinikums Gießen Marburg (UKGM) und die Philipps-Universität haben den Vorschlag ebenfalls positiv begleitet.
Dr. Tada Urata (1873 – 1936) war eine japanische Augenärztin und die erste Medizinerin, die in Marburg ihren Doktortitel erhielt. Die in Japan ausgebildete Wissenschaftlerin arbeitete in Tokio am Forschungsinstitut des Bakteriologen Shisabura Kitasato. Er war ein Kollegen und Freund des Impfpioniers Prof. Dr. Emil von Behring.
Zum Sommersemester 1903 kam sie dann nach Marburg, um Augenheilkunde zu studieren. Sie machte 1905 ihren medizinischen Doktortitel – als erste Frau in Marburg und als erste Japanerin in Deutschland. „Damit war sie eine wichtige Wegbereiterin“, erklärte Spies.
Das Frauenstudium wurde in Marburg erst zum Wintersemester 1908/09 offiziell eingeführt – ein Erlass von 1900 ermöglichte es jedoch Frauen, die im Ausland studiert haben, auch im Deutschen Reich eine Zulassung zur medizinischen, zahnärztlichen oder pharmazeutischen Staatsprüfung zu erhalten. Nach ihrer erfolgreichen Prüfung und der Erlangung des Doktortitels in Marburg kehrte Urata nach Japan zurück.
Dort ließ sie sich als Augenärztin nieder, später eröffnete sie mit ihrem Ehemann eine Klinik. Nach ihr ist nun der Platz zwischen der Mensa und der Medizinischen Bibliothek benannt.
Eine weitere Benennung nach einem außereuropäischen Wissenschaftler hat die Stadt Marburg bereits 2021 vorgenommen. Seither heißt der Fußweg zwischen der Alten Kasseler Straße und der Rudolf-Bultmann-Straße „Mansaley-Kobba-Weg“.
Kobba studierte in den 50er-Jahren an der Philipps-Universität Medizin und war einer der ersten afrikanischen Studenten in Marburg überhaupt. Er kehrte nach Sierra Leone zurück und erreichte dort wegweisende Fortschritte in der medizinischen Versorgung.
Der Anstoß für die Umbenennungen nach außereuropäischen Wissenschaftler*innen kam von Dr. Harumi Murata, der in Marburg Medizin studierte. „Ich kannte sowohl Tawara als auch Urata nicht, als ich nach Marburg kam“, berichtete Murata. Erst im Laufe seines Studiums in Deutschland habe er immer mehr japanische Namen im Zusammenhang mit wichtigen Entdeckungen gelernt – und seither die Idee gehabt, auch sie im Stadtbild sichtbar zu machen.
So brachte er die Idee bei Oberbürgermeister Spies an, Verwaltung und Universität schlugen geeignete Namen und Orte für Benennungen vor und die Stadtverordnetenversammlung beschloss die Umsetzung. „Ich fühle mich sehr geehrte, dass wir nun diese Persönlichkeiten feiern und dass japanische Namen in Marburg verewigt werden“, erklärte Murata dazu.

* pm: Stadt Marburg

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