Entzündungen besser verstehen und behandeln soll einEU-gefördertes Projekt zur Erforschung des Immunsystems. Koordiniert wird es von der Philipps-Universität.
Es ist ein visionäres Projekt. Das zeigt sich nicht nur im Namen: Das internationale Forschungsprojekt „SciFiMed will“ in den kommenden vier Jahren einen Biosensor entwickeln, der dabei hilft, Entzündungsreaktionen im Körper besser zu charakterisieren.
Damit sollen die Diagnose und Therapie bei sehr unterschiedlichen Erkrankungen verbessert werden. Die Europäische Kommission fördert das Projekt mit Beteiligten aus vier europäischen Ländern mit insgesamt mehr als 3,5 Millionen Euro für vier Jahre von 2021 bis 2024. Davon gehen etwa 780.000 Euro an die Philipps-Universität.
Die Koordination von „Screening of inFlammation to enable personalized Medicine“ (SciFiMed) liegt an der Philipps-Universität bei Prof. Dr. Diana Pauly. „Ein gestörtes Immunsystem, das Infektionen nicht abwehren kann oder Autoimmunerkrankungen hervorruft, ist für die Betroffenen sehr belastend“, erklärte Pauly. „SciFiMed will immunologische Grundlagenforschung mit einer neuartigen Biosensorentwicklung auf Nanomaterialbasis kombinieren.“
Bei „SciFiMed“ arbeiten Expertinnen und Experten aus der Genetik, der Immunologie, Nephrologie, Chemie und Augenheilkunde mit Firmen zusammen, um den Biosensor zu entwickeln. Profitieren könnten davon zum Beispiel Menschen mit Makula-Degeneration. An dieser Augenerkrankung leiden europaweit etwa 15 Millionen ältere Menschen.
Fast die Hälfte von ihnen verliert im Lauf der Erkrankung große Teile des Sichtfelds. Heilbar ist die Krankheit bisher nur teilweise, ebenso wenig wie bestimmte chronische Nierenentzündungen und spezielle Formen bakterieller Infektionen. All diesen Krankheiten gemeinsam ist eine fehlerhafte Regulierung des sogenannten „Komplementsystems“.
Dabei handelt es sich um einen Bestandteil des angeborenen Immunsystems. „Im Moment wissen wir noch wenig darüber, welche Rolle das Komplementsystem im Entstehungsprozess all dieser Pathologien spielt“, erläuterte Pauly. „Zu wenig, um diese Erkrankungen effektiv verhindern, diagnostizieren oder behandeln zu können.“
Nach gegenwärtigem Stand der Forschung spielen der Komplementfaktor H und damit verwandte Proteine eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von systemischen und organspezifischen Krankheiten. Die Funktionsweise des Faktors H ist gut erforscht, die der mit ihm verwandten Proteine jedoch größtenteils unbekannt – ebenso wie ihr Einfluss auf die verschiedenen krankheitsspezifischen, pathogenen Mechanismen.
„Hier setzt unser Forschungsprojekt an“, berichtete Pauly. „Unser Verbund aus acht Partnern wird untersuchen, welchen Einfluss die mit dem Komplementfaktor H verwandten Proteine auf die Entstehung von Krankheiten haben.“
Die Ergebnisse sollen anschließend in die Entstehung eines Multiplex-Detektionssystems einfließen, mit dessen Hilfe Patientenproben gleichzeitig auf die funktionelle Aktivität und Menge aller sieben Mitglieder der untersuchten Proteinfamilie untersucht werden können. Diese neu entwickelte Diagnosetechnik soll Ärztinnen und Ärzte künftig vor Ort, in ihrer Praxis oder im Krankenhaus zur Verfügung stehen.
Neben der Philipps-Universität, die das Projekt koordiniert, sind die Universität Regensburg, die Complutense Universität Madrid, die Eötvös Loránd Universität in Budapest, das University Medical Center Groningen, die Gesundheitseinrichtung Sanquin in den Niederlanden sowie die Biotechnologieunternehmen Hycult Biotech und Microcoat Biotechnologie an dem Forschungsprojekt beteiligt. Das internationale und interdisziplinäre Team arbeitet nicht nur daran, die immunologische Forschung voranzubringen, sondern verfolgt darüber hinaus das Ziel, neue Behandlungsmöglichkeiten und neuartige Ansätze für die Arzneimittelentwicklung zu ermöglichen.
* pm: Philipps-Universität Marburg