Besondere Lage: Leuchtfeuer-Preisverleihung zu Zeiten der Pandemie

Stefan Diefenbach-Trommer

Stefan Diefenbach-Trommer erhielt das Marburger Leuchtfeuer 2020. (Foto: Kalkidan Chane)

Stefan Diefenbach-Trommer hat das Marburger Leuchtfeuer erhalten. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und Jury-Sprecher Egon Vaupel habenihm den Preis am Donnerstag (9. Juli) im Rathaus überreicht.
Sein Engagement ist vielfältig. Ganz besonders setzt er sich für demokratische Rechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie die finanzielle Unabhängigkeit politisch aktiver Organisationen ein.
Dafür haben die Humanistische Union (HU) und die Stadt Marburg ihm das „Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte“ 2020 verliehen. Gemeinsam mit dem Ehrenbürger und Jury-Sprecher Vaupel hat Spies dem 49-jährigen Marburger die undotierte Auszeichnung während einer Feierstunde im Historischen Saal des Rathauses überreicht.
„Mit dem „Marburger Leuchtfeuer“ würdigen die Universitätsstadt Marburg und die Humanistische Union keine großen Organisationen, sondern bewusst einzelne Menschen, die sich für ein gutes Zusammenleben, für Teilhabe, einsetzen“, erklärte Oberbürgermeister Spies bei der Preisverleihung an Diefenbach-Trommer. „Wir würdigen Vorbilder. Und das sind Sie eindeutig: Mit Ihrem Einsatz für die demokratische Rechte wie auch Pflichten der Bürger*innen sind Sie ein Demokrat im besten Sinne.“
Er lobte Diefenbach-Trommers klare Haltung, seine Fähigkeit zum kritisch-besonnenen Diskurs und sein breites ehrenamtliches Engagement. Die Auszeichnung verleihen der Magistrat der Stadt und die Humanistische Union (HU) Diefenbach-Trommer „als leuchtendes Beispiel für sein unermüdliches Eintreten zugunsten der Gemeinnützigkeit und Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements in der freiheitlichen Demokratie“, wie es in der Urkunde heißt. „Gerade jetzt während der Corona-Pandemie haben wir deutlich gesehen, wie unverzichtbar bürgerschaftliches Engagement in der demokratischen Gesellschaft ist“, stellte der ehemalige Marburger Oberbürgermeister und Ehrenbürger sowie Jury-Sprecher Vaupel fest.
Einstimmig für Diefenbach-Trommer entschieden hatte sich die Jury bereits Mitte Februar – „in Anerkennung seines herausragenden Engagements für ehrenamtliche Arbeit zugunsten sozialer Gerechtigkeit und einer lebendigen Demokratie“. In der Preisbegründung, die Vaupel vortrug, heißt es, dass die Jury mit der Auszeichnung das breit aufgestellte Engagement des Preisträgers in unterschiedlichsten Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens würdigt.
#Insbesondere zeichne sie sein Engagement für die finanzielle Unabhängigkeit politisch aktiver Organisationen aus. „Ausschlaggebend bei unserer Entscheidung war vor allem die steuerrechtliche Begünstigung ehrenamtlichen politischen Engagements, für die Stefan Diefenbach-Trommer eintritt wie kein anderer“, sagte Vaupel.
Ein Grußwort kam per Videobotschaft von der Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die ehemalige Bundesministerin der Justiz dankte dem Preisträger dafür, dass er sich für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht einsetzt.
Die Laudatio auf Diefenbach-Trommer hielt die Journalistin und Aktivistin Jutta Sundermann. Sie ist eine langjährige Weggefährtin des Preisträgers.
Sundermannachte deutlich, was die Entziehung der Gemeinnützigkeit für Organisationen wie beispielsweise Attac bedeutet unter anderem durch den Verlust von Spenden und Zuschüssen auch den Verlust der finanziellen Basis. „Es ist gut, dass die Zivilgesellschaft in diesem Land Menschen wie Stefan hat“, sagte sie und animierte die Gäste der Feier zu einem kleinen Spontan-Flashmob für den Geehrten.
Diefenbach-Trommer dankte nach der Verleihung all jenen Menschen, die für Freiheit und Gerechtigkeit weltweit kämpfen. Bereits vor der Preisverleihung hatte er erläutert, dass es bei der „steuerrechtlichen Begünstigung ehrenamtlichen politischen Engagements“ um den Einsatz dafür geht, was als gemeinnützig anerkannt wird. Dabei ist „gemeinnützig“ definiert als „selbstlose Förderung des Allgemeinwohls beziehungsweise der Allgemeinheit.“
Dem Leuchtfeuer-Preisträger ist es wichtig, sich für politische Teilhabe einzusetzen, die nicht nur durch Wahlen und das Engagement in Parteien stattfinde, sondern auch in Form von Protest, um auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen – beispielsweise eben darauf, was als „gemeinnützig“ anerkannt wird. „Gerade marginalisierte Gruppen brauchen starke Stimmen, brauchen andere, die für sie die Stimme erheben“, sagte Diefenbach-Trommer.
Genau das hob auch Oberbürgermeister Spies würdigend hervor: „Sie setzen sich klug und bedacht für eine Neuregelung der Gemeinnützigkeitskriterien im Vereinsrecht ei“. Lassen Sie mich klar sagen: Das ist auch zwingend notwendig.“
Diefenbach-Trommer wurde in München geboren. In Leipzig studierte er Arabistik mit Nebenfach Verwaltungsrecht.
Im Juli 2000 kam er für ein Redaktionsvolontariat bei der Oberhessischen Presse (OP) nach Marburg. Er leitet als Vorstand die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, an deren Gründung er seit 2014 beteiligt war.Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von mehr als 170 Organisationen.
Zuvor war der gelernte Journalist sechs Jahre als Geschäftsführer der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ tätig. Außerdem arbeitete er beim globalisierungskritischen Netzwerk „Attac“ und der Kampagne „Bahn für Alle“.
Nebenher arbeitet der Vater dreier erwachsener Kinder als Berater für Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit, Strategie und Organisationsentwicklung, ist Mitglied des Stiftungsrats der Bewegungsstiftung und Autor zahlreicher Fachbeiträge zu Gemeinnützigkeitsrecht und politischer Teilhabe, Kampagnenführung und Fundraising. Außerdem ist er ehrenamtlich engagiert beim Freundeskreis Marburg-Sfax.
Im vorangegangenen Jahr hatten die beiden Ärztinnen Kristina Hänel und Ruby Hartbrich die undotierte Auszeichnung erhalten. Zu den vorherigen Preisträgerinnen und Preisträgern zählen beispielsweise auch die Hörfunkjournalistin Ulrike Holler und der katholische Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ aus Frankfurt, die Marburger Gewerkschafterin Käte Dinnebier und die Tibetologin Sabriye Tenberken, der Psychiater Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter und Katja Urbatsch aus Gießen, Dr. Bernhard Conrads und Hilde Rektorschek sowie Lutz Götzfried aus Marburg.
„In diese illustre Reihe fügt sich Stefan Diefenbach-Trommer nahtlos ein“, sagte der Marburger HU-Regionalvorsitzende Franz-Josef Hanke. „Um soziale Bürgerrechte überhaupt wahrnehmen zu können, benötigt die Gesellschaft gemeinnützige Strukturen, die auch politische Aussagen treffen und auf Verbesserungen hinarbeiten können. Ehrenamtsförderung ist ohne ein breites Verständnis von Gemeinnützigkeit nicht zielführend für die freiheitliche Demokratie.“
Der Bürgerrechtler dankte allen, die sich politisch für das Gemeinwohl engagieren. Hanke betonte mit einem Slogan der Allianz für Sicherheit in der politischen Willensbildung: „Zivilgesellschaft ist gemeinnützig!“
Mitte Februar hatte die Jury neben der Vergabe des Marburger Leuchtfeuers an Diefenbach-Trommer auch noch eine weitere einstimmige Entscheidung getroffen: Die bisher siebenköpfige Jury hat die HU Marburg auf acht Mitglieder erweitert. Neu in die Jury berufen haben die HU und die Jury die 41-jährige Wunsch-Marburgerin Kalkidan Chane.
„Von Beginn an waren immer Menschen in der Leuchtfeuer-Jury vertreten, die Armut, die Abhängigkeit von Hartz IV, eine Behinderung oder andere diskriminierende Alltagserlebnisse aus eigener Erfahrung kennen“, erläuterte Hanke. „Mit Kalkidan Chane beziehen wir eine geflüchtete Frau in unsere Entscheidungen ein, die gleich mehrere Diskriminierungserfahrungen machen musste: als politisch engagierte Oppositionelle, als – in Bezug auf Bildungsweg und Beruf benachteiligte – Frau in Afrika, als Geflüchtete in Europa und als Person of Color. Damit wollen wir ihr wie auch allen anderen Menschen unseren Respekt bezeugen und ein beispielhaftes Zeichen für die Teilhabe aller Menschen auch an politischen und kulturellen Entscheidungen setzen.“
Wegen der Corona-Pandemie war es nur geladenen Gästen möglich, an der Feierstunde teilzunehmen. Allerdings hat die HU alle Reden auf Video aufgezeichnet und wird sie online stellen, wie sie es bereits in den vorangegangenen Jahren gemacht hat. Zudem veröffentlicht sie auch alle verfügbaren Redemanuskripte auf der Internetseite www.marburger-leuchtfeuer.de.

* pm: Stadt Marburg

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