Beim Schlossfest am „Tag des offenen Denkmals“ haben viele Gäste das Landgrafenschloss mit allen Sinnen erlebt. Dabei schmiedeten einige auch Zukunftspläne.
Das Landgrafenschloss ist Wahrzeichen der Stadt, geschichtsträchtiges Baudenkmal und gleichzeitig Identifikationsobjekt für Marburg. Die vielen Besucherinnen und Besucher hatten beim Schlossfest am „Tag des offenen Denkmals“ seltene Gelegenheiten, den Ort wie noch nie wahrzunehmen: Wie sehen die sonst verschlossenen Gemäuer des Bauwerks aus? Wie klingt dieser Ort? Wie ist hier Geschichte erfahrbar? Was bedeutet er und vor allem: Wie geht es damit in Zukunft weiter?
Das Fest machte am Sonntag (10. September) viele Antworten erlebbar, und eine Podiumsdiskussion rund um die Zukunft des Schlosses bescherte auch im Anschluss neue Ideen und Anregungen.
Die letzten Meter noch über die Dächer der Altstadt den Schlosssteig hoch. Vorbei am Spieglein und an Aschenputtels Schuh, man mag ins Schnaufen kommen. Doch der Weg zum Schloss ist es wert – und war es am Sonntag noch mal mehr. Eines der bedeutendsten Baudenkmäler Hessens wurde zum Tag des offenen Denkmals zum Schauplatz von Kultur und Geschichte.
Eine Klangcollage an der Rentkammer umsäuselte die vielen Besucherinnen und Besucher mit Hufgetrappel früherer Pferdekutschen, mit Wind, der durch die historischen Gemäuer strich, mit Glockengeläut aus vergangenen Zeiten.
Das Landgrafenschloss zeigte sich, wie sonst ganz selten: Es gab Führungen zum Schlossbrunnen, durch den Glockenturm oder dem sonst aus Brandschutzgründen gesperrten Wilhelmsbau – sie alle waren komplett ausgebucht. Es gab höfischen Tanz in historischer Kleidung im Fürstensaal oder eine Chillout Lounge im Rittersaal mit Sofas, animierten Schlossansichten und passenden Elektro-Beats von einem DJ. Eine Hängeschaukel im sonst nicht öffentlich zugänglichen Paradiesgarten lud zum Verweilen ein.
„Für die Menschen in Marburg ist das Landgrafenschloss Zuhause“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Alle, die nach Marburg zurückkehren, sehen als erstes dieses identitätsstiftende Baudenkmal, das Wissenschaftsministerin Angela Dorn als „die Wiege des Landes Hessen“ bezeichnete. Am Tag des offenen Denkmals präsentierte sich das Schloss als all‘ das, was es am Ende ausmacht: Veranstaltungsort, Museum, Bildungsstätte, als Abenteuer-Ort für Kinder, als Verweil-Ort, als Erlebnis-Ort, mit all‘ seinen Geräuschen, Ansichten und Gerüchen.
Dr. Brigitte Franzen vom Naturkundemuseum Senckenberg Frankfurt formulierte es auf dem Podium sehr treffend: „Das Landgrafenschloss ist an sich schon ein Exponat.“ Gleichzeitig sagt die Museumsdirektorin: „Museen sind nicht mehr Objekte in Vitrinen, sondern Orte, an die Menschen mit Fragen kommen; an denen Mitreden eine ganz entscheidende Rolle spielt“.
Genau das war jetzt beim Schlossfest Programm: Während die Besuchenden den Ort mit allen Sinnen erlebten, waren sie mit ihren Ideen, Anregungen und Wünschen für die bevorstehende Sanierung und das Zukunftskonzept des Baudenkmals selbst gefragt. Denn Universitätspräsident Prof. Dr. Thomas Nauss versprach: „Es soll ein Schloss für alle werden.“
Er ist in gewisser Weise Hausherr, denn die Universität verwaltet das im Landesbesitz Hessens bestehende Landgrafenschloss. Mit Oberbürgermeister Spies, Wissenschaftsministerin Dorn, Dr. Bernhard Conrads als Vorstand des „Vereins der Freunde des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte“, Prof. Dr. Hans Peter Noll als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zeche Zollverein und mit der Frankfurter Museumsdirektorin Franzen saß er zur Eröffnung des Schlossfestes auf dem Podium, um über die Zukunft des Marburger Schlosses zu diskutieren.
„Es geht dabei um eine tiefgründige Aufarbeitung, nicht um reine Romantisierung“, erklärte Dorn. Auch solle es um eine anschauliche Vermittlung von Geschichte gehen und ein Fokus liege auf der Schaffung eines Museums für Stadt- und Landesgeschichte im Schloss.
Vor eineinhalb Jahren haben sich Universität, Stadt und Land zum ersten Mal zur Zukunftsfrage des Schlosses im Zusammenhang mit der – auf geplante zehn Jahre dauernden – Sanierung zusammengesetzt. Auch auf dem Podium im Fürstensaal war immer wieder von enger und sehr guter Zusammenarbeit die Rede, nebst dessen Nauss beim Thema des bisherigen rund 12-Millionen-Budgets darauf hinwies: „Wir brauchen glückliche Kämmerer-Momente.“
Auch Spies zeigte sich in der Zusammenarbeit äußerst zuversichtlich: „Ich bin sehr froh, dass wir heute die Situation haben, dass uns das Zusammenkommen von Land, Universität und Stadt eine ernsthafte Chance bietet, das Landgrafenschloss aus seinem Dornröschenschlaf herauszuholen und seine Schönheit vor allem für die Zukunft zu bewahren.“
Prof. Dr. Hans Peter Noll findet: „Aufbruch geht nur mit Begeisterung“, und fügte mit lobendem Augenzwinkern hinzu: „Ich merke gerade, eigentlich brauchen Sie meinen Rat gar nicht.“ Wandel beginne zunächst im Kopf und man müsse die Menschen motivieren, denn „gerade bei knappen Ressourcen braucht es Menschen, die dafür brennen und Ideen umsetzen“.
Der Beteiligungsaspekt war auch Spies besonders wichtig. Er sagte: „Wir halten es für einen Kern der Identität dieser Stadt, dass Menschen sich einbringen und sie mitgestalten.“
Auch den Aspekt der Inklusion hielten die Diskutirenden hoch. Conrads erklärte: „Museen müssen sich öffnen, so, dass sich alle willkommen fühlen. Denn behindertengerecht heißt menschengerecht. Alle haben etwas davon.“
Dorn sieht es als Aufgabe, das Denkmal so behutsam wie möglich zu sanieren und gleichzeitig lebendig zu machen, etwa auch den Digitalisierungsaspekt von Anfang an mitzudenken. Spies fügte abschließend hinzu: „Die Kooperation zwischen Stadt und Land – gemeinsam mit der Universität – ist ebenso identitätsstiftend für die Stadt.“
So füllte sich im Fürstensaal die Wand mit Ideen und Anregungen zur Zukunft des Schlosses immer mehr. Währenddessen rätselten, malten, tanzten und tüftelten junge und ältere Besucher*innen im Fürstensaal. Sie ließen sich in Fotoboxen etwa als Teil des berühmten Marburger Religionsgesprächs von 1529 fotografiere..
Besonders Kinder hatten immer wieder Freude am virtuellen Rundgang durch das Schloss: Mit VR-Brillen erwanderten sie die von Architekten dreidimensional nachgestalteten Gemäuer, Säle und Winkel des Landgrafenschlosses. Ein Seminar lehrte Wissenswertes über Architekturfotografie und auch die Camera Obscura stand in mehreren Führungen und verlängerten Öffnungszeiten zu Erkundungen bereit.
Hoch her ging es auf der Nordterrasse: Noch am Nachmittag sorgten einheimische Musiker*innen und Bands auf der Bühne für ausgelassene Stimmung. Und in den späteren Stunden bereiteten viele weitere kreative Marburger*innen beim von Bernd Waldeck und Martin Esters moderierten Schloss-Slam das Thema Marburger Landgrafenschloss ganz individuell und schöpferisch auf – als „spoken word“, als Rap, Hörspiel oder Impro-Theater. Den krönenden Abschluss gestalteten die „Casual Singers“ mit einem bunten Cover-Programm im Rosengarten des Schlossparks.
* pm: Stadt Marburg