Falsche Sentimentalität: Promotionspreise und Promotionsjubiläen gefeiert

Die Vergabe der Promotionspreise hat die Philipps-Universität gemeinsam mit Promotionsjubiläen gefeiert. Stattgefunden hat die Veranstaltung am Freitag (8. September).
Wie ist es, heute zu promovieren – wie war es vor 25 oder 50 Jahren? Diese Frage stellte Vizepräsidentin Prof. Dr. Sabine Pankuweit anlässlich einer Doppel-Feier am Freitag (8. September) im Vortragssaal der Universitätsbibliothek. Die Philipps-Universität hatte zum jährlichen Silbernen und Goldenen Promotionsjubiläum eingeladen. Gleichzeitig zeichnete sie bei diesem Anlass fünf junge Promovend*innen mit dem Promotionspreis aus.
Der ausgezeichnete wissenschaftliche Nachwuchs traf an diesem Abend auf Alumni, die 1973 und 1998 ihren Doktorgrad in Marburg erworben hatten. Einig waren sich alle, dass die Zeit der Promotion eine besondere Lebensphase war – für viele der älteren Teilnehmenden sogar eine der schönsten.
Die Promotionspreise wurden in vier Sektionen verliehen. Sie gingen an Dr. Jan Ole Flindt in der Sektion Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Dr. Anna-Magdalena Heide in der Sektion Philosophie, Theologie, Geschichte, Erziehungs-, Sprach- und Kulturwissenschaften, Dr. Jannis Gottwald und Dr. Shamail Ahmed in der Sektion Mathematik und Naturwissenschaften sowie Dr. Dennis Das Gupta in der Sektion Lebenswissenschaften und Medizin. Pankuweit gratulierte den Preisträger*innen: „Sie erhalten den Promotionspreis der Philipps-Universität für Ihre hervorragenden wissenschaftlichen Erfolge, die Sie trotz der Corona-Pandemie, die Ihre Promotionszeit zum größten Teil begleitet und möglicherweise auch beeinflusst hat, mit großem Einsatz und Engagement erreicht haben.“
In seiner Dissertation am Fachbereich Rechtswissenschaften untersucht Jan Ole Flindt erstmals ein grundlegendes und umfangreiches Thema, das zuvor noch nicht monografisch untersucht wurde. Darin geht es um Statusverhältnisse wie den Namen, die Ehe und die Abstammung von Kindern, die in vielen Rechtsgebieten wie im Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht, Steuer- oder Sozialrecht weitreichende Auswirkungen haben. Wenn gelebte Wirklichkeit und formale Rechtslage voneinander abweichen, entstehen für die Betroffenen existenzielle rechtliche Unsicherheiten, etwa im Fall von vertauschten Babys oder bei Adoptionen, die sich nachträglich rechtlich nicht wirksam herausstellen. Die Promotion reicht nach Einschätzung der Gutachter bereits an die Qualität von Habilitationsschriften und untersucht, wie der Vertrauensschutzgrundsatz Lösungen für solche Fälle gutgläubig gelebter Statusverhältnisse ermöglicht.
Die Promotion, die Anna-Magdalena Heide am Institut für Ethnologie/Kulturwissenschaft vorgelegt hat, geht der Frage nach, wie das Technikmuseum Bochum zu einer umfangreichen Sammlung von Gemälden, Grafiken und Plastiken kam. Um die Genese und historische Funktion dieser Kunstsammlung nachvollziehen zu können, hat sie die Institutions- und Sammlungsgeschichte des Hauses anhand von Akten, Plänen, Fotografien, Sammlungsobjekten und der Sammlungsdokumentation wissenschaftlich aufgearbeitet. Der Fokus lag dabei auf den Sammlungs-Praktiken in der Amtszeit des Gründungsdirektors Heinrich Winkelmann von 1928 bis 1966. Die Arbeit zeigt die kulturwissenschaftlichen Perspektiven und politischen Dimensionen ästhetischer Diskurse um Kunst, Berufsdarstellungen und Arbeit auf.
In seiner Doktorarbeit untersucht Jannis Gottwald die Raumnutzung von Fledermäusen. Detailliertes Wissen über Verhalten und Ökologie der Arten und entsprechende Erhebungsmethoden sind eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung wirksamer Schutzmaßnahmen. Im Zentrum steht die Entwicklung eines Monitoring-Instruments, das auf kleine und hochmobile Arten fokussiert ist, durch die Erfassung und Beobachtung dieser Arten Wissenslücken schließt und damit einen vielfältigen Beitrag zur Abschwächung des Umweltwandels leisten kann.
Seine Arbeit verbindet Grundlagenforschung mit methodischen Entwicklungen und Anwendung. Die kleinen, schnellen nachtaktiven Flieger im Marburger Universitätswald hat er mit einer neuen Tracking-Methode verfolgt, denn bei so kleinen Tieren geraten Kamerasensoren schnell an ihre Grenzen. Im Team mit Promovierenden der Informatik hat er so ein Beobachtungssystem mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten geschaffen, das akustische und visuelle Sensoren kombiniert und relevante Daten für den Naturschutz liefert. Aus der Promotion ist ein erfolgreiches Start-Up hervorgegangen, das Umwelt-Monitoring als Serviceleistung anbietet.
Shamail Ahmed arbeitete nach dem Bachelor-Studium in seiner Heimat Pakistan zunächst als Ingenieur in einer Stahlfabrik, bevor er die wissenschaftliche Laufbahn einschlug und mit seiner Promotion eine bemerkenswerte Arbeit vorgelegte. Er ist Absolvent des internationalen Masterstudienganges „Functional Materials“ am Fachbereich Physik der Philipps-Universität. Mit seiner Doktorarbeit leistet er einen Beitrag zur Grundlagenforschung auf dem Gebiet von Batteriematerialen.
Er beschäftigte sich mittels Transmissionselektronenmikroskopie mit der atomar aufgelösten Charakterisierung verschiedener Materialien, wie sie in einer Lithium-Ionen-Batterie zum Einsatz kommen. Dabei ist es ihm gelungen, Teile des Rätsels aufzudecken, warum Lithium-Nickel-Oxid, das in solchen Batterien als Kathodenmaterial verwendet wird, rasch zerfällt. Seine Ergebnisse tragen zur Verbesserung von Batterie-Materialien bei und liefern neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der elektrochemischen Energiespeicher.
Die Doktorarbeit von Dennis Das Gupta untersucht die Ursachen und molekularbiologischen Grundlagen für eine Form der Leukämie. In der Arbeit geht es um den Transkriptionsfaktor IRF4. Dieses Molekül organisiert mit, welche Gene aus dem menschlichen Genom zu einem gegebenen Zeitpunkt in Proteine übersetzt werden. Das Gupta hat für seine Arbeit in Kooperation mit der Universität Mainz verschiedene Tumore komplett sequenziert und dabei bahnbrechende Erkenntnisse gewonnen. Ihm ist es gelungen, eine bisher nicht bekannte Modellerkrankung für die Entstehung einer bestimmten Form der Leukämie zu identifizieren.
Dabei hat er die primäre Voraussetzung für diese Leukämie sowie essentielle Zwischenschritte für ihre Entstehung aufgedeckt. Im letzten und experimentell aufwendigsten Teil der Arbeit setzte er die gefundenen Ergebnisse therapeutisch ein. Im Tierversuch zeigte diese Therapie einen deutlichen Überlebensvorteil. Seine Arbeit wurde von der Krebsstiftung gefördert und brachte ihm in Fachkreisen hohe Anerkennung ein.
Mehr als 130 Gäste waren der Einladung zum Promotionsjubiläum und zur Promotionspreisverleihung gefolgt. Sie kamen aus ganz Deutschland und teilweise aus dem Ausland. Neben der feierlichen Urkunden- und Preisübergabe gab ein Publikumstalk Einblicke in das studentische Leben in den 70er und 90er Jahren.
Moderiert von Vizepräsidentin Pankuweit berichteten die Ehemaligen von schönsten Marburg-Erlebnissen und komplizierten Dissertationstiteln. Viele sind der Universität noch immer verbunden. Beim anschließenden Weinempfang gab es Wiederbegegnungen mit alten Studienkolleg*innen und einen Austausch mit den Nachwuchswissenschaftler*innen. Musikalisch führten Sängerin Johanna Brachthäuser und die Musiker Artur Deja und Jan Simons in die Zeit von damals.
Pankuweit dankte allen Teilnehmenden und besonders dem Marburger Universitätsbund, der durch finanzielle Unterstützung die Veranstaltung mit ermöglicht hatte. Die Promotionspreisverleihung ehrt einmal jährlich Nachwuchswissenschaftler*innen aus vier Fachrichtungen. Das „silberne und goldene Promotionsjubiläum“ führt jährlich Ehemalige aus aller Welt zurück an die Philipps-Universität nach Marburg.
Das Ziel dieser Veranstaltungen ist, den Kontakt zu früheren Absolvent*innen zu pflegen, sich mit ihnen zu vernetzen und im Idealfall die Verbindung für heutige Studierende zu nutzen: für Mentoring-Programme, Vorträge zur Berufsorientierung und vieles mehr. Organisiert werden das Promotionsjubiläum sowie die Promotionspreisverleihung von der Stabsstelle Fundraising & Alumni-Service beziehungsweise dem Referat Wissenschaftlicher Nachwuchs der Philipps-Universität.

* pm: Philipps-Universität Marburg

Kommentare sind abgeschaltet.