„Die Romantik hat gesiegt“, konstatiert Prof. Dr. Jochen Strobel. Der Marburger Literaturhistoriker hat eine Biografie über August Wilhelm Schlegel vorgelegt.
Schlegel war einer der bedeutendsten Vertreter der Epoche der „Romantik“. „Vom Romantik-Hotel über den Horrorfilm bis zum Mittelalterfest begegnet sie uns heute in neuen Gewändern, aber unverkennbar als Erbin der Schlegel-Zeit“, stellt Strobel fest. Wie sich die Moderne in Leben und Werk des Literaten ankündigt, der einst der wirkmächtigste deutsche Frühromantiker war, das zeigt der Marburger Germanist in seinem jüngsten Buch „August Wilhelm Schlegel – Romantiker und Kosmopolit“.
Schlegel ist heute vor allem durch seine Shakespeare-Übersetzungen bekannt. Die berühmte Wendung „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage“ hat er so aus dem Englischen von William Shakespeare ins Deutsche übertragen.
Sicherlich gibt es bekanntere literarische Vertreter der Epoche wie Josef von Eichendorff oder E.T. A. Hoffmann. Schlegel wirkte weniger als Dichter nach, sondern eher als Vermittler fremder sowie angeeigneter historischer Kulturzeugnisse.
Die neu erwachte Aufmerksamkeit für Schlegel geht einher mit einer wissenschaftlichen Neubewertung der Romantik, die vor allem eine Epoche des Kulturtransfers war, wie Strobel am Beispiel seines Protagonisten zu zeigen weiß. „Vermitteln, vermischen, verbinden – dies war Schlegels Stärke“, schreibt der Marburger Hochschullehrer.
Sein Buch zeichnet Schlegels Lebens- und Schaffensweg nach, „ausgehend von der modernen Vielfalt seiner Lebensrollen und den wechselnden Schwerpunkten seines Wirkens“. Die neun Kapitel des biografischen Hauptteils folgen der Chronologie von Schlegels Lebensweg, fassen aber zugleich wiederkehrende Muster ins Auge. Sie zeigen Schlegel als Übersetzer, als Kritiker, als Professor.
Eingerahmt wird die Darstellung vonh einer Einleitung und einem Schlusskapitel, das sich insbesondere mit Schlegels Nachwirkung befasst. Strobel verortet die kulturhistorische Position seines Protagonisten zwischen Aufklärung und Frühromantik.
Ihre Gemeinsamkeit sieht der Autor in der „Hinwendung der Europäer zur Geschichtlichkeit des Menschen und seiner Kultur wie auch zu klassifizierenden Methoden bei der Beschreibung von Natur und Kultur“. „Mit der ,Poesie als Medium der Integration alles Heterogenen zu einem Ganzen und insbesondere einem selbstreflexiven Denkgestus der ,unendlichen Annäherung war der Weg von der Aufklärung zur Romantik gebahnt und beschritten“, führt der Marburger Hochschullehrer aus.
Als modern könne vor allem der Wissenschaftler Schlegel gelten „im Übergang von bloßem Sammeln und Klassifizieren zu einer Ausdifferenzierung akademischer Disziplinen nach wissenschaftlichen Methoden“. So ging Schlegel als einer der Ersten daran, die Schriftzeichen des Sanskrit, das zu den frühesten überlieferten indogermanischen Sprachen zählt, im Druck darzustellen.
Damit wurde er zu einem Vorreiter der Indologie als akademischer Disziplin. Die – in seinem Auftrag hergestellte – Sanskrit-Drucktype ist bis heute nicht überholt“, weiß Strobel zu berichten.
„Der Schlegel-Experte beweist in seiner Darstellung Empathie und bewahrt dennoch die nötige Distanz“, lobte Michaela Schmitz im „Deutschlandfunk“, der die Biografie unmittelbar nach Erscheinen zum „Buch der Woche“ kürte. Strobel arbeite „konturiert das Zeittypische heraus und zeigt die Strömungen auf, die sich in August Wilhelm Schlegel kreuzen“, urteilte die Rezensentin. Das breit gefächerte Portrait sei „leicht und eingängig geschrieben und dennoch fachlich fundiert“.
Strobel leitet das Verbundprojekt „Digitalisierung und elektronische Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels“ an der Philipps-Universität. Das Vorhaben zielt darauf ab, bis zum Jahr 2019 rund 5.000 Briefe des Frühromantikers auf einer Internet-Plattform zu veröffentlichen.
* pm: Philipps-Universität Marburg