Die Pizzeria im Fronhof bildet den Abschluss der Serie über legendäre Lokale in Marburg. Sie befand sich genau dort, wo heute das „Dromedar“ ist.
Den Namen dieser legendären Pizzeria weiß ich nicht mehr. Rekonstruieren ließ er sich leider auch nicht. Gleich mehrere Erlebnisse dort sind mir aber sehr deutlich in Erinnerung geblieben.
Über eine Treppe erreicht man von der Universitätsstraße aus das Hochparterre im Haus „Am Grün 1“. Oben wendet man sich nach links und betritt durch eine Tür den Gastraum. Seit 2007 befindet sich dort das afrikanische Restaurant „Dromedar“.
Es bietet eritreische und äthiopische Küche. Charakteristisch ist dabei die „Injera“. Das ist eine Art Fladen, die man in die Hand nimmt und it der man dann die Speisen ergreift und zu Mund führt.
Für Menschen aus Afrika ist das Lokal indes eher enttäuschend, hat es sicch doch stark an die Erwartungen der deutschen Kundschaft angepasst. Schweinefleisch würden orthodoxe Christen oder Muslime aus Äthiopien und Eritrea niemals essen. Auch die Soßen sind ihnen im „Dromedar“ zu wässrig.
Dabegen waren die Pizzen in dem Vorgängerlokal wesentlich überzeugender. Mein Favorit war dort die „Pizza Salami“, die ich sowohl wegen ihres guten Geschmacks wie auch wegen ihrer Größe bevorzugte. Gleichzeitig genoss ich aber auch die entspannte Atmosphäre in dem Lokal, das Studierende ebenso aufsuchten wie die Professorinnen und Professoren.
Nach einer Veranstaltung der Humanistischen Union (HU) war ich Anfang der 80er Jahre mit deren damaligem Bundesvorsitzenden Ulrich Vultejus und den Referenten Fritz Wüllner und Prof. Dr. Manfred Messerschmidt in die Pizzeria gegangen. Wüllner berichtete damals von dem Todesurteil gegen seinen Bruder, das der Marburger Jurist Prof. Dr. Erich Schwinge 1945 verhängt hatte und vollstrecken ließ. Der junge Soldat hatte die Taschenuhr eines Kameraden an sicch genommen, was ihm als „Kameradendiebstahl“ ausgelegt worden war und ihn das Leben kostete.
Wenige Jahre später wich ich mit den Teilnehmenden einer Podiumsdiskussion zur Gentechnik in die Pizzeria aus, weil Studentinnen und Studenten den Vortrag des Behring-Forschungsleiters Dr. Roloff Johannsen im Hörsaalgebäude lautstark gestört hatten. In dem Restaurant konnten die Ärztin Marina Steindor. Regine Kollek dann in Ruhe miteeinander diskutieren. Als Moderator hatte ich die Diskussion über die geplante gentechnische Produktion von Erythropoetin bei den Behringewerken in Marburg leiten sollen.
In der zweiten Hälfte der 80er Jahr schließlich erlebte ich das Lustigste, was mir mit einem meiner Hochschullehrer jemald widerfahren ist. Mit Kommilitonen saß ich in der Pizzeria, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte und von hinten jemand fraget: „Franz-Josef, wer bin ich?“
Die Stimme erkannte ich sofort. Sie gehörte dem Strafrechtler Prof. Dr. Dieter Meurer. Beim „Du“ waren wir allerdings noch nie gewesen.
Mit seine unerwarteten Anrede wollte der humorvolle Jurist mich testen. Die Pizzeria war damals nicht nur mein Stammlokal, sondern auch seins. Bislang hatten wir aber noch nie beieinander gesessen und gemeinsam gegessen.
Der gebürtige Rheinländer war indes keinem Späßchen und auch keinem Schnäpschen abgeneigt. Leider ist er am Am 23. Dezember 2000 in Wiesbaden im Alter von 57 Jahren verstorben. Zweimal hatte er zuvor vergelbich für das Amt des Universitätspräsidenten kandidiert.
Viele Geschichten und Geschichtchen könnte ich noch über Meurer und über die Pizzeria im Fronhof erzählen. Manch anderes Lokal wäre es wohl auch wert, in die Reihe der legendären Lokale in Marburg aufgenommen zu werden. Doch diese Reihe soll mit ihrer 39. Folge zum Ende des Jubiläumsjahrs Marburg800 ihren Abschluss finden.
* Franz-Josef Hanke