Herausgefunden: Ein Dutzend Bakterien reicht dem Darm

Ein Mikrobencocktail regt die Entwicklung des Verdauungstrakts an. Das hat ein Forschungsteam aus der Marburger Medizin herausgefunden.
Ein paar wenige Bakterien reichen aus, um eine Reifung des Immunsystems und den Umbau des Darmgewebes einzuleiten, was zur Beseitigung von Krankheitserregern führt. Das hat ein Forschungsteam um den Marburger Immunologen Prof. Dr. Ulrich Steinhoff herausgefunden, indem es Bakteriengemeinschaften im Mäusedarm untersuchte. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten in der Fachzeitschrift „Microbiome“ über ihre Ergebnisse.
Bakterien besiedeln zu Hunderttausenden den Darm. Ganz überwiegend sind sie harmlos; ja sie helfen sogar, zum Beispiel bei der Verdauung.
„Eine gesunde Bakterienmischung trägt erheblich dazu bei, dass der Verdauungstrakt sich richtig entwickelt und das Immunsystem der Darmschleimhaut reift“, betonte Steinhoff, der die aktuelle Studie geleitet hat. Für die Zeit von der Geburt bis zur Entwöhnung von der Mutterbrust ist gut belegt, dass Mikroben eine gesunde Entwicklung befördern. „Wie Bakterien hingegen den Körper und das Immunsystem von Erwachsenen beeinflussen, weiß man längst nicht so genau“, erklärte Erstautorin Dr. Rossana Romero, die ihre Doktorarbeit in Steinhoffs Labor anfertigte.
„Fehlen die Bakterien, so hat das starke Auswirkungen auf das Immunsystem der Schleimhäute“, führte Steinhoff aus. Die Forschungsgruppe untersuchte daher keimfreie Mäuse, die keinerlei Bakterien beherbergen – bis auf einen Krankheitserreger im Darm – den Nagerschädling Citrobacter rodentium – der den Darm befällt, aber keine Krankheitssymptome hervorruft.
„Während Mäuse mit normaler Darmflora den Erreger schnell beseitigen, bleibt dieser in keimfreien Tieren deren ganzes Leben lang erhalten“, berichtete der Immunologe. „Dabei wird die krankmachende Wirkung von Citrobacter unterdrückt.“ Man spricht dabei von „symptomfreien Überträgern“.
„Dieses Phänomen kennt man auch vom Menschen“, weiß der Marburger Hochschullehrer zu berichten. „Es gibt Personen, die Krankheitsserreger in sich tragen und andere anstecken, ohne selbst zu wissen, dass Sie infiziert sind.“ Woran das liegt, war bislang unbekannt.
Das Team verbreichte den Versuchstieren einen Cocktail von 14 ausgewählten Bakterien. „Die Mäuse bauen daraufhin eine Immunabwehr auf, die zur vollständigen Beseitigung des Krankheitserregers führt“, legte Romero dar.
Die Mikroben regen unter anderem das Wachstum von Gefäßen im Darmgewebe an. Dadurch wandern spezialisierte Immunzellen verstärkt in den Darm ein. Andere Stämme aus dem verabreichten Bakterienmix konkurrieren mit Citrobacter um dieselben Nährstoffe.
„Offenbar besitzen symptomfreie Überträger einen unvollständig ausgebildeten Darm, dessen unterentwickelte Blutgefäße es nicht erlauben, Immunzellen an den Ort der Infektion im Darminneren zu befördern“, erläuterte Steinhoff. „Wir waren sehr erstaunt, dass 14 harmlose Bakterien ausreichen, um bei ausgewachsenen Tieren die Reifung des Dickdarms herbeizuführen.“
Bakteriengemeinschaften haben sich schon bei verschiedenen Krankheiten als heilsam erwiesen. Das ist etwa bei chronischen Entzündungen so.
„Daher glauben wir, dass die von uns beobachteten Effekte nicht ausschließlich auf den hier verwendeten Bakterienmix beschränkt sind“, erläuterten die Autoren. Wie diese Mikroben wirken, müsse in den molekularen Details jedoch noch eingehend erforscht werden.
Steinhoff leitet eine Arbeitsgruppe am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Philipps-Universität. Neben zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen der Philipps-Universität beteiligten sich die Universität Mainz, das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie sowie die Firma Medgenome aus den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) an der Forschung, die der Publikation zugrunde liegt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Von-Behring-Röntgen-Stiftung sowie die Jürgen-Manchot-Stiftung haben die wissenschaftliche Arbeit finanziell gefördert.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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