Neues Licht: Physiker stellten unerwartetes Verhalten fest

Ein Team aus der Physik fand ein unerwartetes Verhalten von „Quasiteilchen“ in ultradünnen Halbleiterschichten. Dehnung von Halbleitern steuert die Lichtaussendung.
Die optischen und elektrischen Eigenschaften hauchdünner Halbleiter lassen sich in unerwarteter Weise steuern, indem man die mechanische Dehnung des Materials kontrolliert. Das hat eine Forschungsgruppe aus Marburg und Münster herausgefunden, indem sie untersuchte, wie sich sichtbare und unsichtbare Quasiteilchen in Halbleiter-Dünnschichten bewegen. Das Team berichtet in der Wissenschaftszeitschrift „Nature Communications“ über seine Ergebnisse.
Die Forschungsgruppe analysierte ein spezielles neuartiges Halbleitermaterial. Dabei handelt es sich um das „Übergangsmetall-Dichalkogenid-Monolagen“ (TMD) nach der englischen Bezeichnung transition metal dichalcogenide. Das sind hauchdünne Kristalle, die aus einer einzigen atomaren Schicht bestehen.
„Weil sie extrem biegsam und absorptionsstark sind, gelten sie als vielversprechende Kandidaten für opto-elektronische Anwendungen, zum Beispiel Lichtquellen oder Detektoren der nächsten Generation“, erklärte der Physiker Prof. Dr. Ermin Malic von der Philipps-Universität. Er hat die theoretischen Arbeiten geleitet.
„In ultradünnen TMDs können negative und positive Ladungen erzeugt werden, die in einem stark gebundenen Zustand vorliegen – als Paar aus Elektron und Leerstelle“, erläuterte der Physiker Prof. Dr. Rudolf Bratschitsch von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der für die experimentellen Beiträge verantwortlich war. Fachleute bezeichnen ein solches gebundenes Elektron-Loch-Paar als Exziton. „Wenn Exzitonen zerfallen, emittieren sie ein Photon“, führte Bratschitsch aus.
Die atomar dünne Schicht leuchtet. Es gibt aber auch Elektron-Loch-Paare, die nicht zu Licht werden, also nicht sichtbar sind; daher nennt man sie „dunkle Exzitonen“.
„Obwohl man dunkle Exzitonen nicht sehen kann, beeinflussen sie die Lichtemission von Halbleitern“, legte Malic dar. „TMDs sind bemerkenswert empfindlich gegenüber mechanischer Spannung“, ergänzte Malics Mitarbeiter Dr. Roberto Rosati, einer der beiden Leitautoren des Fachaufsatzes.
Die Dehnung des Materials wirkt sich insbesondere auf das Verhalten der Exzitonen aus, wie Bratschitschs Mitarbeiter Dr. Robert Schmidt erläuterte. Er ist ein weiterer Leitautor der Publikation.
„Durch Dehnung wird ihre Energie abgesenkt“, erklärte Schmidt. „Da diese Quasiteilchen beweglich sind, erwartet man, dass sie sich zur Stelle mit der stärksten Dehnung bewegen, um ihre Energie zu minimieren. In unserer Studie haben wir in TMDs verfolgt, welchen Weg die Exzitonen in Zeit, Raum und Energie zurücklegen“
Die Forschungsgruppe verwendete eine regelmäßige Anordnung von Mikrosäulen aus Kunststoff, auf die sie die Halbleiter-Monolage übertrug „Das Aufstempeln der Dünnschicht auf die Mikrosäulen erzeugt eine ungleichmäßige Dehnung, die direkt zwischen zwei Säulen am stärksten ausfällt“, berichtete Schmidt.
„Überraschenderweise bewegt sich die Lichtemission der Exzitonen von Regionen großer Dehnung weg“, stellte Bratschitsch fest. Das lasse sich auf die dominierende Rolle der sich ausbreitenden dunklen Exzitonen zurückführen: Sie versammeln sich nicht im Bereich mit starker Dehnung, wie in einem Trichter, sondern entfernen sich davon, wie von der Spitze eines Berges.
„Der Transport der Exzitonen, den wir festgestellt haben, verläuft ganz anders, als man es bisher erwartet hatte“, resümierte Malic. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass sich die optischen und elektronischen Eigenschaften von technologisch vielversprechenden atomdünnen Halbleitern kontrollieren lassen, indem man ihren Dehnungszustand ändert.“
Malic leitet die Arbeitsgruppe „Ultraschnelle Quantendynamik“ an der Philipps-Universität. Bratschitsch steht der Abteilung „Ultraschnelle Quantenoptik und Nanophotonik in Festkörpern“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vor. Neben den Universitäten in Münster und Marburg beteiligte sich die Technische Hochschule Chalmers in Schweden an der Forschungsarbeit.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die wissenschaftliche Arbeit über ihren Sonderforschungsbereich 1083 unterstützt. Die Europäische Union (EU) hat sie aus ihrer Förderlinie „Graphene Flagship“ und die schwedische Innivationsagentur Vinnova durch „2D TECH“ bezuschusst.

* pm: Philipps-Universität Marburg

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