Offene Münder: Viel zu lachen bei „Der kleine Horrorladen“ in der Waggonhalle

Das Ensemble

Bis zum 13. August gibt es den “kleinen Horrorladen” noch in der Waggonhalle zu sehen. (Foto: Milan Henke)

Ein einfacher Blumenladen in Downtown Los Angeles wird in diesem Stück zu einem Schauort des Schreckens und Gelächters. Mit „Der kleine Horrorladen” bringt die Waggonhalle den Musical-Klassiker von Howard Ashman und Alan Menken nach Marburg. 

Alles fängt mit einer seltsamen – noch nie zuvor gesehenen – Pflanze an. Doch wie kam dieses riesige, fremde Gewächs überhaupt in einen kleinen, unbedeutenden Blumenladen, der drohte, Bankrott zu gehen? 

Floristenassistent Seymour Krelborn ist ein einfacher, armer Mann aus der “Skid Row“-Nachbarschaft in LA. Während einer plötzlichen Sonnenfinsternis stolpert er über eine seltene Pflanze, die er sofort kauft und schnurstracks zu Mushniks Blumenladen bringt, wo er arbeitet. Überzeugt davon, eine neue Art entdeckt zu haben benennt er sie nach seiner Kollegin Audrey, für die er heimlich und doch offensichtlich Gefühle hegt.  

Doch Audrey II ist nun wirklich keine normale Pflanze. Weder Wasser, Sonnenlicht noch Dünger schaffen es, das kleine Pflänzchen zum Wachsen zu bringen. Erst als Seymour sich aus Versehen an einer von Audrey IIs Dornen schneidet, beginnt sie, sich zu regen. Nur Blut kann die seltsame Pflanze zufriedenstellen. Doch leider wird ihr Appetit immer größer. Wie lange kann Seymour sie nur mit Blut zufrieden stellen? Die Horrorshow beginnt.

Seymour versteht nicht, warum Audrey II nicht gedeiht. (Foto: Milan Henke)

Audrey II fängt als recht kleiner Setzling an und wächst im Laufe des Stücks immer weiter. Schnell überragt sie ihren “Ziehvater” Seymour (Arsène Rathgeber) und breitet sich mit ihren Ranken im ganzen Blumenladen aus. 

Die seltsame Pflanze ist ein Mitglied des Ensembles (Svenja Göbel), aber auch ein Teil des Bühnenbilds. Als riesige Puppe, deren Mund von einem Puppenspieler (Martin Schmidt) bewegt wird, kann Audrey II auch selbständig sprechen und singen. Die meiste Zeit schreit sie jedoch nach Futter und treibt so den überforderten Seymour immer weiter in die Verzweiflung. 

Auch wenn die Geschichte einer Menschenfressenden Pflanze erstmals nach einem Stück für Horror-Liebhaber klingt, steht doch der Humor klar im Vordergrund. Audrey II’s Schrei nach menschlichem Futter klingt beispielsweise auch nach einem ganz anderen Hunger: „Gib’s mir! Gib’s mir noch heute Nacht!” hat eine Zweideutigkeit, die durch ihr Stöhnen noch unterstrichen wird. 

Auch die ernste Thematik von Audreys toxischer Beziehung wird mit Witz und Humor dargestellt. Ihr gewalttätiger Partner Orin Scrivello (Sebastian Kinder), der als herzloser Zahnarzt arbeitet, hat im Laufe seiner Karriere eine Abhängigkeit entwickelt von Lachgas. Immer wieder setzt er seine Maske auf und gönnt sich einen tiefen Atemzug, bevor er sich wieder den anderen Charakteren zuwendet. So entstehen total schräge Szenen, bei denen man sich das Lachen nicht verkneifen kann. 

Musikalisch ist die Inszenierung dem Original treu geblieben. Mit Rock und Blues aus den 60er Jahren ist die Musik ein passender Kontrast zu der dramatischen und “gruseligen” Handlung. Auch die Tanzeinlagen während der Lieder unterstützen diesen Gegensatz und betonen den schrägen Humor des Musicals. 

Die Musikstücke wurden perfekt von den Schauspielern gesungen. Besonders mitreißend war “Mushnik und Sohn” von Seymour und Mr. Mushnik (Ralf Weyers). Der grimmige Ladenbesitzer will seinen Angestellten adoptieren, woraufhin beide zusammen singend einen Tango tanzen. 

Gelungen ist auch das ruhige und emotionale Lied, “Irgendwo im Grünen” von Audrey (Franziska Ritz), in dem sie ihr Traumleben mit Seymour beschreibt. Sie singt von einem einfachen Häuschen mit Möbeln, die leicht sauber zu halten sind, von Dosenwurst zum Essen und einem Abend vor dem Fernseher. Ein normales, fast schon langweiliges Leben, das für Audrey wie der Himmel auf Erden klingt.

Eine schräge Liebesgeschichte zwischen Audrey und Seymour ergänzt die Handlung. (Foto: Milan Henke)

Neben dem Gesang arbeitete die Inszenierung auch mit atmosphärischen Klängen. Sie wurden von Licht und Nebel ergänzt. Zum Beispiel als Seymour die hungrige Audrey II zum ersten Mal mit seinem Blut fütterte, beleuchtete nur noch rotes Licht die Szene, während der Rest der Bühne dunkel wurde. Laute und schrille Klänge erfüllten den Raum. Das Publikum bekam so den Horror der Geschichte ein bisschen zu spüren. 

Seymour verliert sich im Laufe des Stücks immer mehr in seinem Ruhm durch die Entdeckung dieser außergewöhnlichen Pflanzenart. Er ist hin- und hergerissen zwischen der Gier nach einem besseren Leben und seinem schlechten Gewissen. Schließlich kann er Audrey II nur durch Menschen am Leben erhalten. Diese Zerrissenheit stellte Schauspieler Arsène Rathgeber beeindruckend dar. Seine verzerrte Mimik war besonders überzeugend. 

Erwähnenswert ist auch das brillante Spiel der drei Straßenmädchen Crystal (Anna-Lena Wißmiller), Ronette (Veronika Kwapil) und Chiffon (Antonia-Luise Wtzlar), die als Theater-Chor die Handlung einleiten. Immer wieder schlüpfen sie während des Stücks auch in andere Rollen. So sind sie mal interessierte Kundinnen in Mushniks Blumenladen oder Seymours Fangirls, die sich an ihn schmeißen. 

„Der kleine Horrorladen“ ist eine gelungene Neuinszenierung des beliebten Klassikers „Little Shop of Horrors“. Für Liebhaber des amerikanischen Musicals ist es eine wundervolle Chance, die berüchtigte Pflanze einmal live zu sehen. Alle die sich gerne von schwarzen Humor, guter Musik und hinreißendem Schauspiel unterhalten lassen, werden mit diesem Stück viel Spaß haben!

* Acelya Simsek

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